Projekte sind meist teuer, risikoreich und bringen Unruhe in die Stammorganisation. Es ist deshalb nur verständlich, dass intensiv nach Theorien (Methoden und Hilfsmittel) gesucht wird, die die Wahrscheinlichkeit eines Projektabbruchs oder Scheiterns reduzieren. Dabei wird meist den etablierten Theorien (Best Practice) den Vorzug gegeben. Doch helfen diese wirklich immer weiter? Vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass sich Projekte im Wesentlichen durch die Einmaligkeit ihrer Bedingungen in ihrer Gesamtheit (DIN 69901) charakterisieren?
Karl Raimund Popper (1902 – 1994), ein österreichisch-britischer Philosoph hat hierzu im Bereich der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie einige interessante Ideen entwickelt. Ausgangspunkt ist seine Aussage, dass sich die Wahrheit einer wissenschaftlichen Theorie niemals beweisen lässt. Man kann von einer kleineren Anzahl von Beispielen nicht auf die Gesamtheit aller Elemente schliessen (Induktion). Es braucht nur ein einziges Gegenbeispiel und schon wird eine allgemeingültige Theorie widerlegt. So braucht es z.B. nur einen einzigen schwarzen Schwan (Australien) und schon hat die Aussage: «Alle Schwäne sind weiss» keine Gültigkeit mehr. Allgemeine Aussagen lassen sich nach ihm überprüfen, indem man nach Gegenbeispielen (falsifizieren) sucht.
Daraus ergeben sich für das Projektmanagement wertvolle Hinweise:
- Eine Best Practice (Erfahrungswissen) führt nicht immer zur richtigen Vorgehensweise oder Ergebnis. Was einmal richtig war, muss beim nächsten Mal nicht auch zwingend richtig sein.
- Beim Aufstellen von Lösungskonzepten sind diese kritisch zu hinterfragen. Je öfters geprüft wird, desto eher ergibt sich eine gute Lösung.
- Eine Projektkultur der konstruktiven Kritik ist nicht störend, sondern im Gegenteil sinnvoll und notwendig und verbessert das Resultat.
- Besteht keine Best Practice oder macht diese keinen Sinn, so kann selber eine aufgestellt werden. Diese ist gründlich und mehrfach zu prüfen (falsifizieren).
- Lässt sich eine Projektvorgabe nicht überprüfen (falsifizieren) gibt es auch keine ausreichende Begründung für diese Vorgabe.
Hinterfragen und konstruktive Kritik sind wichtige Elemente in jedem Projekt. Sie müssen jedoch zum richtigen Zeitpunkt in einem sinnvollen Rahmen erfolgen.
Laut Karl Popper ist Gewissheit in der Wissenschaft nicht zu haben. Deshalb ist es nie gerechtfertigt, nur einen Standpunkt gelten zu lassen. Dies gilt in angepasster Form auch für die Projektwelt.
Literaturhinweise:
DIN 69901-5:2009-01; Projektmanagement – Projektmanagementsysteme – Teil 5: Begriffe
Wikipedia Autoren (2017): Karl Popper. Hg. v. Die freie Enzyklopädie Wikipedia. Online verfügbar unter https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Karl_Popper&oldid=164567055, zuletzt aktualisiert am 14.04.2017, zuletzt geprüft am 06.05.2017.
Popper, Karl R.; Keuth, Herbert (2005): Gesammelte Werke in deutscher Sprache. 11. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck.
Magee, Bryan; Leineweber, Bernd; Mischer, Sibille (2007): Geschichte der Philosophie. München: Dorling Kindersley.